Nikolausschule
Miesbacher Kolpingsfamilie
Kolpingstüberl, Kolpingstr. 22, 83714 Miesbach
Kursnummer : 17603
Es ist ein sehr besonderer Moment, wenn der Nikolaus in die Stube kommt. Und auch eine Herausforderung für den, der ihn verkörpert. Darum bietet die Miesbacher Kolpingsfamilie nun eine Nikolausschule an.Aufsatzschreiben im Goldenen Buch, Kopfrechnen mit Apfel, Nuss und Mandelkern – oder gleich Turnübungen mit Stab und schwerem Sack: Was neue Nikoläuse alles in der Schule lernen müssen, dazu würde Kindern bestimmt eine Menge einfallen. Tatsächlich bietet die Kolpingsfamilie Miesbach heuer erstmals eine Nikolausschule an. Dies allerdings in aller Ernsthaftigkeit und Tiefgründigkeit, die die Rolle des Heiligen Bischofs von Myra auch heute von denen abverlangt, die sie verkörpern und damit in die Familien tragen. „Dieses Gewand verlangt etwas von dem, der es trägt“, betont Michael Griesbeck, selbst seit 40 Jahren als Nikolaus unterwegs. „Deshalb sollte man sehr genau wissen, wer dieser Nikolaus eigentlich war“, bestätigt Theologe Joachim Baumann, ebenfalls ein erfahrener Nikolaus.
Rund 15 Nikoläuse im Alter von 20 bis 60 Jahren sind jedes Jahr am 5. und 6. Dezember für die Miesbacher Kolpingsfamilie im Einsatz. Die Nachfrage steigt ständig, auch Nikolausfeiern mit mehreren Familien liegen im Trend. Mit der Folge, dass die Teams aus dem Bischof, Krampus und Fahrer weniger Auftritte pro Abend schaffen, weil es pro Besuch wegen der größeren Zahl an Kindern schlicht länger dauert. Die Entscheidung, heuer erstmals eine Nikolausschule zur Vorbereitung anzubieten, hat die Kolpingsfamilie aus zwei Gründen getroffen, erklärt Baumann: „Zum einen wollten wir einfach im Vorfeld besser Bescheid wissen, wer eigentlich genau für uns als Nikolaus geht.“ Zum anderen hoffe man, so leichter an neues Personal zu kommen. Denn die beiden Treffen sollen vor allem eines sein: ein Raum, um Fragen zu stellen, Erfahrungen auszutauschen und Situationen in der Gruppe durchzuspielen. Ganz bewusst sind deshalb nicht nur Interessenten eingeladen, sondern auch Nikoläuse, die schon länger mit dabei sind.
Wer sich von der Schulung einen Zehn-Punkte-Plan erhofft, der alle Eventualitäten des Nikolausabends abdeckt, wird enttäuscht. Zu vielfältig sind die Anforderungen, die sich im Spannungsfeld zwischen den Wünschen der Kinder, den Erwartungen der Eltern und natürlich dem Selbstverständnis des Nikolaus ergeben können. Denn bei aller Vorbereitung wisse man ja nie, was einen in den Stuben der Leute erwarte. Ob Geschenkeberge, schwelende Konflikte oder ein laufender Fernseher: Vieles müsse man situativ entscheiden – „und dazu braucht es ein gutes Gespür“, sagt Baumann. Und ein gefestigtes Verständnis der eigenen Rolle.
„Aufgabe des Nikolaus ist es nicht, ein von den Eltern geschriebenes Drehbuch vorzulesen“, betont Baumann. Gleichzeitig wolle man aber auch deren oft mühevolle Vorarbeit wertschätzen. Ein Nikolaus habe aber auch die Freiheit, Dinge wegzulassen, die nicht in sein Bild vom Bischof aus Myra passen. „Der Nikolaus war immer ein Ermutiger der Kinder, nie jemand, vor dem man Angst haben muss“, betont der Theologe. Und der Krampus? Er sei ein Symbol für die dunklen Seiten, die es in jedem Leben und damit auch bei den Erwachsenen gebe. Der Krampus gehöre also durchaus zum Nikolaus dazu. Denn nur so funktioniere die gerade für Kinder wichtige Botschaft, dass man zu seinen Ängsten stehen dürfe und sie auch bewältigen könne. Geradezu paradox findet auch Griesbeck, dass viele Eltern bei aller Tendenz zur gewaltfreien und teils sogar antiautoritären Erziehung zunehmend ein strenges, tadelndes Auftreten des Nikolaus wünschen. „Das ist aber nicht seine Aufgabe.“
Ebenso wenig dürfe der Besuch des Nikolaus aber zu einer lustigen Märchenstunde verkommen, betonen Baumann und Griesbeck. Wer also in dieses Gewand schlüpfe, müsse Haltung annehmen. Die zeige sich nicht nur in Worten, sondern beispielsweise auch schon am Schrittbild. Gleichzeitig aber müsse man auch auf die Kinder und ihre Vorstellungen eingehen, da dies oft das anfängliche Eis brechen könne. So habe sich mal ein kleines Mädchen von ihm gewünscht, dass er mit ihr tanze, erinnert sich Baumann. „Das habe ich gemacht.“ Nicht als Show, sondern aus ernsthaftem Interesse am Kind.
Auch das steht im kleinen „Nikolaus-Handbuch“, das die Erzdiözese Köln mit dem BDKJ und Adveniat vor einigen Jahren herausgegeben hat und dessen „Praxistipps für Nikolausdarsteller“ nun auch in die Nikolausschule der Miesbacher Kolpingsfamilie einfließen werden. Zweite Grundlage ist der Kurs, den Baumann 2016 in seiner Zeit im Erzbischöflichen Jugendamt absolviert hat.
Fakt sei, dass der Nikolaus eine große Verantwortung trage. Doch gerade dies mache dieses besondere Ehrenamt und damit auch die Nikolausschule für junge Leute so interessant. „Es ist eine Ausbildung fürs Leben“, sagt Baumann. Denn die Gesellschaft brauche Menschen, die ihren Mann oder ihre Frau stehen. Apropos Frau: Ja, auch Frauen kommen als Nikolaus infrage. Anders als in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen bleibe die Rolle selbst aber männlich, stellt Baumann klar. Wohlgemerkt aus historischen Gründen: „Es gab keine Bischöfin Nikola.“